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Esslingen [DE] - Vorstellung der IMC-Batteriebusse durch Firma Vossloh Kiepe

J. Lehmann - 13.02.2017

Die Firma Vossloh Kiepe und die SVE stellten am 08.02.2017 die in Esslingen seit Mai 2016 im Linienverkehr erprobten Batterie-/Trolleybusse vor. Zu der Veranstaltung wurde gezielt eingeladen, sie fand im Alten Rathaus in Esslingen statt. Frank Seidel /Vossloh-Kiepe begrüßte die Gäste und stellte die Vertreter der Gastgeber SVE Andreas Clemens (Kaufmännischer Werkleiter seit 1.4.16) und Harald Boog (Technischer Werkleiter) sowie seine Kollegen Erik Lenz und Joachim Berndt vor, die die anschließenden Fachvorträge hielten. Er hat ein Fünkchen Hoffnung, dass bald zu den drei Obusbetrieben in Deutschland weitere hinzukommen und die Technik durch die Verwendung in Kombination von Batteriespeichern eine ähnliche Verbreitung wie der Schweiz findet. Von hier sowie aus den benachbarten Niederlanden sind auch Gäste der Einladung gefolgt, die er herzlichst begrüßte.
Frank Seidel informierte darüber, dass seit dem 1.2.17 Vossloh Kiepe einschließlich Tochtergesellschaften zur Knorr Gruppe gehört, und zwar zu 100% zu Knorr Schiene. Es handelt sich bei beiden Firmen um deutsche Traditionsfirmen, 1905 wurde die Firma Knorr gegründet, 1906 die Firma Kiepe.
Erik Lenz führte Allgemeines über den Batteriebus aus: In Bezug auf die Energiespeicherung und dem Energietransfer hat der Batteriebus gegenüber dem Dieselbus noch einen hohen Nachteil der Energiedichte. Der Dieselbus kann effektive Energie von 5000 Wh/kg speichern, der Batteriebus hingegen nur 50 Wh/kg, somit besteht ein Faktor 100 bei der höheren Energiedichte. Dieser Unterschied besteht auch beim Energietransfer. Somit ist eine Aufladung der Batterien während des Tageseinsatzes, der üblicherweise bei über 300 km liegt unerlässlich, um das Fassungsvermögen eines Fahrzeugs nicht durch Batterien zu reduzieren. Die erforderliche Aufladung wurde wie folgt ermittelt: Für 1h Fahrzeit eines 12m-Fahrzeugs bei 30 km wird 10,8 min Nachladezeit benötigt, dies macht 18% der Betriebszeit aus, bei Gelenkwagen beträgt die Nachladezeit 18 min, dies ergibt 30% der Betriebszeit für das Aufladen. Eine Gelegenheitsladung eignet sich somit bestenfalls bei kleinen Fahrzeugen und geringer Geschwindigkeit. Als weitere Vorteile im Vergleich der Aufladezeiten bei Gelegenheitsladung an Endhaltestellen gegenüber dem In-Motion-Charging (IMC) sind zu nennen, dass IMC-Batteriebusse keine Nachladung im Stehen benötigen, sondern ein Aufladen während Fahrt bis zu 525 kW Leistung möglich ist. Es ergibt sich ein oberleitungsfreier Streckenanteil von bis zu 80% der Strecke bzw. Zeit. Dieses ist abhängig von der Fahrzeuglänge, der Geschwindigkeit und der Topografie der Strecke. Bei 30 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit und ebenen Streckenverlauf braucht ein 12m-Bus nur 20% der Strecke Oberleitung zum Aufzuladen, bei Gelenkwagen bei topografisch anspruchsvolleren Strecken wird schon 50% der Strecke mit Oberleitung erforderlich sein.
Bei vielen Betrieben vor allen in Deutschland wird die Fahrleitung als Hemmnis gesehen. Dieses ist jedoch unbegründet, gegenüber der Straßenbahnhochkettenfahrleitung ist die Obusoberleitung deutlich unauffälliger. Dazu ein Ranking an Städten mit der höchsten Lebensqualität. Von den 15 Städten betreiben 5 Städte Oberleitungsbusse, aber alle 15 eine Straßenbahn, also die 15 lebenswerten Städte haben Oberleitung.
Als Projektleiter stellte Joachim Berndt einige der Eckdaten des seiner Meinung nach interessantesten Projekts der Firma Vossloh Kiepe der letzten Jahre vor. Die Firma Solaris lieferte einen sehr modernen Wagenkasten, in dem die innovative Technik gut untergebracht werden konnte. Der überwiegende Teil der Technik befindet sich auf dem Dach, lediglich die Batterien sind im Heck unterflur angeordnet. Sie befinden sich einschließlich Klimabox in einem Technikraum unterhalb des Wagens, die Klimabox sorgt für die erforderliche Wohlfühltemperatur für LTO-Batterien von 30° bis 40°C. Wegen dem Klimaraum ist der Boden im Heckbereich zwei Stufen höher und hier sind nur Sitzplätze angeordnet. Insgesamt stehen 44 Sitzplätze zur Verfügung, der Wagen ist für maximal 110 Fahrgäste zugelassen.
Der Trolleybus ist mit 2x160 kW-Motoren ausgestattet, die auf die ZF-Antriebsachsen des Typs AV 132 wirken. Bei der Vorderachse wurde Einzelradaufhängung gewählt. Der Fahrgastraum wird mit einer Wasserheizung aufgewärmt, die direkt an die 600V-Technik angeschlossen ist. Sie erfordert eine Leistung von 40kW. Für die Aufladung und den Antrieb mittels Oberleitung wird die bewährte Eindrahtung per Trichter beibehalten, die Wagen sind mit doppelter Isolation ausgestattet. Um die Leistung und das Gewicht der Batterien zu begrenzen, wurden Einschränkungen bei der Fahrweise abgeregelt, so erfolgt die Beschleunigung von 0-30 km/h in 9,5 sec. statt in 8,5 sec. beim Oberleitungsbetrieb, die 50 km/h werden in 20 sec. statt in 18 sec. erreicht. Die Aufladung der Traktionsbatterie erfolgt mit 100-150 kW Leistungsübertragung während der Fahrt, sie wird im Fahrzeugstand auf 50-60kW aufgrund Wärmeentwicklung begrenzt. Nachfolgend die Daten des Batteriepacks:
Batterietyp: Lithium Titanat
Technischer Aufbau: 28 Module
Energieinhalt: 46 kWh, davon 80% betrieblich nutzbar = 37 kWh
Entladeleistung: ca. 240 kW
Ladeleistung: ca. 150 kW (während Fahrt)
Gewicht: 1.300kg

Nach einem kurzen Rückblick auf den bisherigen Verlauf des Projekts, welches 2011 mit einer Projektskizze durch das Büro VCDB VerkehrsConsult Dresden-Berlin GmbH begann, stellte Harald Boog die Ergebnisse von Ende Januar durchgeführten Testfahrten vor:
Die Linie 113, die mit den neuen Fahrzeugen befahren wird, weist eine Linienlänge von 11,3 km auf, davon werden 4,4 km in Bergfahrt unter Fahrleitung befahren(gemäß Fahrplan: 11 min =17%), bei der eine Höhendifferenz von 219 m bewältigt wird. Es folgt dann rund 6 km fahrleitungsloser Betrieb, gemäß Fahrplan 42 min incl. 12 min. Wendezeit (=65%). An der Haltestelle Esslingen Schwimmbad wird wieder angedrahtet und es wird 6 Minuten unter Fahrleitung (= 9%) gefahren. Die Testfahrt bei rund -15°C mit vollen Heizbetrieb (40 kW Heizung) ergab einen Energiebedarf von 2,6 kWh/km der direkt ab Energieverbraucher gemessen wurde. Der Ladezustand wurde in einem Diagramm festgehalten, nach 100% nach dem Oberleitungsbetrieb bergauf, sank der SOC der Batterie nach rund 5,5 km Fahrt im Batteriebetrieb und 15 Minuten Pausenzeit auf 64%, bedingt durch die knapp 2 km Talfahrt stieg der SOC auf 67%, nach weiteren 1 km ebener Fahrt wurde ein SOC von 59% erreicht, bevor durch Fahrt unter der Oberleitung bis zum Bahnhof die Batterie bis 75% geladen werden konnte. Der Wert SOC bezieht sich auf die Gesamtkapazität der Batterie. Es kann 10% Notreserve abgerufen werden, die per Notschalter in einem Elektronik-Schaltkasten freizugeben ist. Die Standzeit am Bahnhof ist für die Aufladung nicht erforderlich, sie besteht nur, da die Linie 113 mit Elektrobussen in einer Richtung befahren werden kann. Eine umgekehrte Fahrleistung der Linie 113, bei der die Fahrt bergauf im Batteriebetrieb erfolgte, ist zwar gelungen, aber beim Anlagen zum Oberleitungsbetrieb lag die Reserve nur bei 17% nutzbarer Energie. Somit wird bei Störungen und anderen Unwägbarkeiten im Linienbetrieb ein kritischer Entladungsstand der Batterie erreicht, so dass von einem Einsatz auf diesem Teil der Linie verzichtet wird.
Abschließend gab Harald Boog einen Ausblick auf die Zukunft: Für die
Lebensdauer der Batterie gibt der Hersteller 5 Jahre Garantie, bei einer Lebenszeit des Fahrzeugs von 15 Jahren ist somit ein zweimaliger Austausch der Batterien erforderlich. Aufgrund der Erfahrungen in Zürich erwartet er jedoch eine höhere Lebensdauer, außerdem wird voraussichtlich nach Weiterentwicklung der Batterien mehr Leistung geboten, so dass er optimistisch ist, nur einen Austausch der Batterie vornehmen zu müssen. Eine Beschaffung weiterer Fahrzeuge ist als Ersatz der übrigen Obusflotte vorgesehen um aufwändige Instandsetzungsarbeiten an den sechs VanHool-Gelenkwagen zu ersparen. Auch die Umstellung weiterer Linien werden untersucht, hier sind entsprechende Voruntersuchungen beauftragt.

Nach dem Resümee zur Vortragsreihe, der Beantwortung von Fragen und einem Mittagsimbiss konnte der Wagen 503 auf dem Georg-Christian-von-Kessler-Platz hinter der Stadtkirche St. Dionys begutachtet werden und eine anschließende Probefahrt auf dem Linienweg absolviert werden. Diese endete im Depot, hier konnten die Teilnehmer die Gelegenheit nutzen, die Technik des Fahrzeugs näher zu begutachten.

Nach der Veranstaltung konnten auch die Arbeiten an dem historischen Henschel HS 160 OSL begutachtet werden. Der Obus aus dem Jahr 1962 steht bislang aufgebockt in der Wagenhalle. Seit Mitte 2016 konnten folgende Fortschritte bei der Wiederherstellung von Obus 22 erzielt werden [Informationen von Ronald Kiebler, SHB-Projektleiter der Obus-Restaurierung]:

- Unterbodenaufarbeitung abgeschlossen
- Luftfederbälge hinten eingebaut
- Federrahmen und Blattfedern wieder zusammenmontiert
- Achsanbauteile vorbereitet
- Schützensteuerung in Betrieb genommen
- Türdruckluftschläuche erneuert
- Fahrmotor eingebaut
- Anfahr- und Bremswiderstände eingebaut
- Elektrische Leitungen angeschlossen und geprüft
- Tachowelle eingebaut und Mitnehmerteil erneuert
- Druckluftverrohrung im Bereich Schützenfach montiert
- Leerlauftest mit 600V über Schützen und Motor (siehe weiter unten)
- Im Innenraum mit der Aufarbeitung, Reinigung und Erneuerung von Kleinteilen begonnen

Bisher wurden 2600 Gesamtstunden von den Vereinsmitgliedern des SHB und anderen Mithelfern geleistet!
Bei der am Samstag, 11.02.2017 durchgeführten Prüfung der 600V-Elektrik im Leerlauf wurde mit einer leistungsbegrenzten Gleichstromquelle bei 600 und 680V eingespeist. Der Vorratsdruck der Schützensteuerung wurde auf 4 bar begrenzt. Die Prüfungen umfassten

- Leerlaufbetrieb des BBC-Fahrmotors bis - Belastungsprobe für Mitnehmer für Tachowelle
- Vorwärts-/Rückwärtssteuerung des Kiepe-Fahrschalters und Richtungswenders
- Fahr-/Bremsstufensteuerung Fahren/Bremsen über den Fahrschalter
- Funktion des Widerstandslüftermotors und der Widerstände
- Bremsvorerregung
- Batterieladung über den Bosch-Alternator
- Auslösen des Isolationswächters
- Betrieb der Scheibenheizung (Hornkohl&Wolf) und eines Innenraumheizlüfters (Seico)

Alle genannten Bauteile wurden zuvor überholt oder erneuert und einzeln getestet. Sie funktionierten am 11.02. erstmals im Verbund unter hoher Spannung.

An größeren Arbeitspaketen, die in den kommenden Monaten anstehen zählen unter anderem:

- Belegung der Hinterradbremsen
- Abdichtung des Differentialgetriebes
- Erneuerung der Kegelrollenlager, Montage der Bremstrommeln und Radsterne
- Einbau der Hinterachse
- Tausch der Vorderachsfederlager
- Neubereifung
- Überholung der Hydraulikpumpe
- Einbau Kompressor
- Umbau/Reparatur einer Heizung
- Innenraumarbeiten (z.B. Lackieren der Sitzgestelle)
- Inbetriebnahme und Wiederzulassungen

Danke an Ronald Kiebler als SHB-Projektleiter für die Informationen und die Zuarbeit zu dieser Meldung, TrolleyMotion wünscht weiterhin viel Erfolg bei den Arbeiten zur Wiederherstellung des historischen Obus, der für die Trolleybusproduktion einen wichtigen Schritt vor nunmehr fast 70 Jahren darstellte!

Fotos:
Während mit dem IMC-Batteriebus 503 eine Testfahrt mit den Teilnehmern der Fachtagung durchgeführt wurde, die an der Rückfront der Esslinger Stadtkirche St. Dionys startete, standen die übrigen drei Wagen 501, 502 und 504 im Linienverkehr, Wagen 504 ist nun der einzige Wagen ohne Reklame, hier beim Eindrahten an der Haltestelle Schwimmbad. Aufnahmen: J. Lehmann

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